curated by Noit Banai: Sedimentations: Brushing History Against the Grain

05.09.–17.10.2020

Endri Dani
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Endri Dani
182 cm (Detail), 2015
Photo by Christophe Cake
Photographic series (18 images)

Helen Mirra
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Helen Mirra
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Helen Mirra
Waulked Triangle, 2014
Undyed wool from two black sheep, a strand of wool dyed with Hydnellum concrescens, cork, cedar
79 x 97.2 x 3.8 cm, Courtesy the artist and Galerie Nordenhake Berlin/Stockholm/Mexico City Photo: Carl Henrik Tillberg, Stockholm

Helen Mirra
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Helen Mirra
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Alejandro Cesarco
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Alejandro Cesarco
Musings, 2013
16 mm black-and-white film transferred to video, sound
Courtesy the artist, Tanya Leighton, Berlin

Katalin Ladik
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Katalin Ladik
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Katalin Ladik
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Katalin Ladik
Feinschmecker, 1975
collage on paper + audio recording (2015)
24 x 34 cm, Courtesy Galerie Martin Janda, Vienna and acb Gallery, Budapest

curated by 2020

curated by 2020

Eröffnung: 05.09.2020, 11–19 Uhr & 06.09.2020, 12–17 Uhr
Laufzeit: 08.09.–17.10.2020

Die Galerie Martin Janda zeigt im Rahmen von curated by 2020 – Über Hybrids die von Noit Banai kuratierte Ausstellung Sedimentations: Brushing History Against the Grain.

Diese Ausstellung präsentiert zeitgenössische künstlerische Praxen, die historischen Begebenheiten Form, Stimme und Gestalt verleihen, indem sie die materiellen, diskursiven und symbolischen Sedimentationen akzentuieren, durch die und mit denen sich Geschichtsereignisse in der Gegenwart manifestieren. Alejandro Cesarco, Endri Dani, Katalin Ladik und Helen Mirra dokumentieren und schaffen Ereignisse, die unser individuelles und kollektives Leben mitbestimmen. In verschiedenen Medien und mit jeweils singulären Techniken eignen sie sich die filigranen Texturen, Ablagerungen und Partikel historischer Sedimente an um festzuhalten, wie sich gewisse Episoden zu einem dominanten Narrativ verdichten, während andere wieder absinken und dabei doch nie ganz verloren gehen. Ganz im Geiste Walter Benjamins Diktum, „die Geschichte gegen den Strich zu bürsten“, gehen die KünstlerInnen also bewusst von einem linearen, kumulativen und unabänderlichen Ansatz zu vernetzten Archäologien mit bislang unerforschten Möglichkeiten über. Mit poetischer Geschmeidigkeit „brechen sie das historische Kontinuum“ und bereiten damit den Weg zu neuen persönlichen und politischen Zukunftsvisionen.

Endri Dani posiert auf seiner Fotoserie 182 (2015) in den Eingängen von Wohnblocks, die während der kommunistischen Nachkriegsdiktatur in Albanien errichtet wurden. Seine Körpermaße passen sichtlich perfekt zu den vom Staat festgesetzten Baudimensionen. Dergestalt verkörpert der Künstler ganz buchstäblich die ideologischen Beschränkungen des Kollektivs, die die albanische Gesellschaft bis heute prägen. Angesichts der obsoleten Bautypologien des Totalitarismus polemisieren solcherart private und individuelle Gesten eindrücklich gegen die oktroyierte Einförmigkeit.

Alejandro Cesarcos Film Musings (2013) ist eine Meditation über die ästhetischen Verdichtungen, mit denen unser Wach- und Traumleben Empfindungen und Bedeutungen erzeugt. Unsere Existenz steht nämlich niemals außerhalb jenes Geflechts von Erzählungen, Bedeutungen und Interpretationen, das sich durch Quellen wie Kunst, Musik, Kunstgeschichte, Populärkultur und Literatur, die uns permanent speisen, ergibt. Wie erzählen wir unsere Geschichte? Wo beginnt und endet unsere Subjektivität?

Mit visueller Poesie sowie ihrer Sound- und Performancekunst komponiert Katalin Ladik ein dynamisches Wechselspiel zwischen grafischer Notation, Erlebnis und dessen Dokumentation. Ihre Collagen (1974–1978), die aus Ausschnitten von Frauenzeitschriften, Briefen, Schnittmuster- und Notenpapier bestehen, bilden die Grundlage für eine Klangpoesie, während die Fotoarbeiten (1973–1985) Performances dokumentieren, die schon früh Geschlechternormen in Frage stellten sowie archaische Bruchstücke kollektiver Erinnerung aus ihrer folkloristischen Umklammerung befreiten.

Die Waulked Triangles und Folded Waulked Triangles (2013–2015) wurden von Helen Mirrahändisch aus der ungefärbten Wolle zweier schwarzer Schafe gewebt. Damit konfrontieren sie das Publikum mit Arbeits- und Lebensweisen, die im Zuge der Postindustrialisierung mehr und mehr verloren gehen. Die Künstlerin webt nach der traditionellen Methode, gemäß der ein Dreieckswebstuhl zu Fuß abgegangen wird. Damit stellt sie sich einerseits gegen die heroische Normierung typisch minimalistischer Objekte, andererseits aber auch gegen Geschwindigkeit und Entkörperlichung im globalen Kapitalismus.

Text: Noit Banai

 

Alejandro Cesarco, *1975 in Montevideo (UY), lebt in New York (USA).
Endri Dani, *1987 in Shkodra (AL), lebt in Tirana (AL).
Katalin Ladik, *1942 in Novi Sad (SRB), lebt in Budapest (HU) und auf Hvar (HR).
Helen Mirra, *1970 in Rochester, NY, lebt in Muir Beach (USA).



Dr. Noit Banai ist Kunsthistorikerin, Kuratorin und Kritikerin. Sie war Professorin für Zeitgenössische Kunst an der Universität Wien (2014–2019) und lehrt ab September 2020 an der NYU Shanghai. Ihre Monografie über Yves Klein erschien in der "Critical Lives"-Serie bei Reaktion Books (London, 2014), derzeit arbeitet sie an einem Buch mit dem Titel Between Nation State and Border State: Modernism From Universal to the Global Subject (Zwischen Nationalstaat und Grenzstaat: Moderne vom universellen zum globalen Thema). Zahlreiche Veröffentlichungen in Ausstellungskatalogen des Centre Georges Pompidou, des Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Musée d’art moderne de la ville de Paris, documenta, Americas Society and Bronx Museum of the Arts. Sie war Redaktionsassistentin für die Zeitschrift RES: Anthropology and Aesthetics und schreibt regelmäßig für Artforum International.