Július Koller: Subjektobjekt

17.01.–24.02.2018

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2018
Foto: Markus Wörgötter

Július Koller
Po-Krik (U.F.O.), 1983
SW-Fotografie
59,5 x 40 cm

Július Koller
Po-Krik (U.F.O.), 1983
SW-Fotografie
59,5 x 40 cm

Eröffnung: Dienstag, 16. Jänner 2018, 19 Uhr

Die Galerie Martin Janda zeigt von 17. Jänner bis 24. Februar 2018 die dritte Einzelausstellung von Július Koller.

1969 schreibt der Künstler Július Koller ein Fragezeichen auf einem Tennisfeld ein. Im Zusammenhang mit der Praxis des Künstlers war die Semantik dieser Geste nicht gerade gewöhnlich. Immerhin vermochte das Fragezeichen die Bedeutung eines ganzen Statements in Bewegung zu versetzen; wodurch es zu einem Zeichen wurde, das mit der Ambiguität und Ungewissheit der Nachwehen des Prager Frühlings passend übereinstimmte. Vielleicht hatte Koller das Fragezeichen aus ähnlichen Gründen als sein Markenzeichen aufgegriffen, wobei er Banner, Tischtennisschläger und sogar Fassaden alter Holzhäuser mit dem Symbol versah; all dies in einer schwungvollen Zorro-artigen Geste. In diesem Sinne könnte das „Markieren“ des Territoriums als eine Art primitiver Akt der Einschreibung gelesen werden, welcher denselben Impulsen folgt, die entfernten Ahnen des Menschen dazu angetrieben haben könnten, auf Höhlenwände zu zeichnen.

Aber hierbei handelte es sich nicht um irgendeine alte Wand – es ging um ein Spielfeld. Koller selbst war ein begeisterter Sportler, der sich sehr wohl bewusst war, dass Tennis ein Sport ist, der sich Begrenzungen verschreibt; die Platzierung einer Linie auf dem Feld bestimmt, ob ein Ballwechsel fair gespielt wurde oder nicht. Koller verstand das Ändern der Bodenmarkierungen nicht als Vandalismus am Feld; eher als Vorschlag einer neuen Reihe von Spielbedingungen.

Der Kurator Vít Havránek hat darauf hingewiesen, dass der Reiz von Sport für Koller gerade darin liegt, dass – zu einem Zeitpunkt als sich die strengen Normen der Gesellschaft im Umbruch zu befinden schienen – Spiele nach wie vor an Regeln gebunden waren. Koller unterhielt eine komplizierte Beziehung zu Regelwerken. Während er sich bestimmt nicht an jene hielt, die von der traditionellen Kunstakademie, an der er seine Ausbildung absolvierte, vorgeschrieben wurden, zeigte er auch wenig Interesse daran, dem oft gegangenen Weg des regimekritischen oder inoffiziellen Künstlers zu folgen. So gesehen, entzog er sich den kunsthistorischen Klischees rund um die hermeneutischen Blasen des osteuropäischen Konzeptualismus – Einmanninseln, bevölkert von isolierten Genies, die sich gegen eine Gesellschaft aufbäumen, welche sie grausam missversteht. Kollers Ziel war, so scheint es, genau solche Taxonomien in Bewegung zu versetzen und folglich jene Hierarchien zu erschüttern, die das „künstlerische Genie“ als eine Domäne der intellektuellen Elite abschirmen. Das heißt jedoch nicht, dass Koller nicht jede Geste akribisch untersuchte, im Zuge dessen er seine Terminologie immer sorgfältig abwog sowie, bei Bedarf, Definitionen oder Manifeste lieferte. Wichtig war ihm jedoch sein jahrzehntelanges Engagement als Lehrer von AmateurkünstlerInnen (wobei er das Kopieren billiger Tourismus-Postkarten der Theatralik der Pleinairmalerei vorzog).

Auf ähnliche Weise signalisierte Kollers Verwendung des Präfixes „Anti-“ – wie etwa in seinen „Anti-Bildern“ oder „Anti-Happenings“, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, – eine Absage an die etwas „feineren“ Formen von Gegenwartskunst. Diese Ablehnung verstärkte sich zusätzlich durch die Verwendung von einfachen Materialien wie etwa weißer Latexfarbe, ausrangierter Kleidung oder Tischtennisschlägern. In seiner Praxis replizierte der Künstler jedoch nach wie vor einige der Techniken der Autokanonisierung und fertigte rigorose, kritische Chronologien seiner eigenen Arbeiten an. Im Geiste nonkonformistisch, wurden seine „Anti-Happenings“ dennoch gewissenhaft aufgezeichnet und offizielle Ankündigungen auf Textkarten gedruckt. Zugegebenermaßen enthielten diese Ankündigungen jedoch selten mehr als den Namen beziehungsweise die Initialen des Künstlers, das Jahr und gegebenenfalls eine Bezeichnung wie etwa den Titel der Serie oder auch nur die Angabe „Anti-Happening“.

Mit jeder dieser Gesten inszenierte Koller einen Akt der Opposition, nicht als Block, sondern als Returnvolley – eine Einladung darauf zu antworten. Der Künstler verstand seine Arbeit nicht als reines Reagieren auf die Einschränkungen hinsichtlich seiner politischen und sozialen Situation, sondern als aktives Bemühen um neue „kulturelle Situationen“, auch durch dialektische Argumentation. Oder wie vom Künstler auf einer seiner nicht datierten Manuskriptkarten beschrieben: „Mein Spiel endet nie; es spielt sich kontinuierlich ab, undefiniert in Bezug auf Rhythmus und Intensität.“ Der Zweck, so scheint es, lag nicht darin zu gewinnen. Es ging eher darum, das Spiel durch eine Verhandlung von sich ständig erneuernden Oppositionen vorwärts zu treiben und den Ball in Bewegung zu halten.

Koller selbst beschrieb die Verwendung des Fragezeichens gegenüber seinem Künstlerkollegen Roman Ondak als „sowohl eine Spur hinterlassend als auch ein Signal sendend“. Eine andere Form von „Signalen“ findet sich in seinem Langzeitprojekt Universal-Cultural Futurological Operations (1970–2007), kurz „U.F.O.“. Wie schon das Fragezeichen, boten diese Initialen eine Möglichkeit, das Projekt konstant im Fluss zu halten, ermöglichten dem Künstler potenzielle Zuweisungen für jeden Buchstaben umzubesetzen. Der Buchstabe „U“ stand beispielsweise für „universell-kulturell“, eine Anspielung auf Kollers Theorien rund um die „kosmohumanistische Kultur“. „U“ konnte aber auch „utopisch“ oder „ungenannt“ bedeuten. Ebenso verwandelte sich „F“ von „futurologisch“ zu einer beliebigen Anzahl an Adjektiven: „philosophisch“, „folkloristisch“ und sogar „fantastisch“. Was den Buchstaben „O“ betrifft, war dieser der wohl dehnbarste aller Buchstaben und bezeichnete „Organisation“, „Ornament“, „Objekt“, „Bild“ (abgeleitet vom slowakischen Wort „Obraz“) oder, besonders wesentlich, „Fragezeichen“ („Otáznik“). In seinem 1970 erschienenen Manifest für Universal-Cultural Futurological Operations erläuterte Koller Ziel und Zweck der Erstellung eines solchen variablen Spielfelds als eine Methode des Sich-Wegbewegens vom reinen Produzieren einer neuen Reihe ästhetischer Objekte oder Erfahrungen hin zum Erzeugen „eines neuen Lebens, eines neuen Subjekts, von Bewusstsein, Kreativität und einer neuen kulturellen Realität“.

Dieses neue Leben erforderte neue Lebensformen. Ab 1970 machte sich Koller auf, eine Serie jährlicher Selbstbildnisse als „U.F.O.-Naut“ zu erstellen. Jedes Bild enthielt Requisiten, die für den Künstler zum jeweiligen Zeitpunkt symbolisch gewesen sein könnten – ob nun Fischernetze, Brezeln, ein Fußball, eine Plastiktasche aus dem Tate-Modern-Shop oder zwei hinter seine Brille eingeklemmte Tischtennisbälle (dieses Foto erschien später nochmals als Hintergrund für ein Werk aus dem Jahr 1990 mit dem Titel Slovenský Trans-Art). In jedem dieser Porträts übernahm Koller den Humor und die Absurdität der von ihm gewählten Requisite, wobei er für den flüchtigen Beobachter wenige Anhaltspunkte zur Entschlüsselung eines tieferen Sinns dieser Objekte innerhalb des Bilds hinterließ. Darin liegt das Wesen von Kollers Spiel. Es war nicht seine Absicht, Dinge mit einem definitiven Ende zu fixieren, sondern eher als Fragezeichen einzustehen, das alles im Fluss hält.

Kate Sutton