Zu den Arbeiten Werner Feiersingers
Die Bezugnahme auf Größen modernistischer Architektur und auf die Formensprache der Minimal Art ist bei Feiersinger kein Selbstzweck, kein Heischen um kunsthistorisch verbürgten Glanz. Vielmehr geht es darum, die Dogmen, die diese Strömungen einmal antrieben, aufzunehmen und zugleich völlig auszuhöhlen, selbst wie Vexierbilder zu behandeln. Was Transparenz markierte, versinkt im Schatten; was sich besonders um Faktizität und bloße Präsenz bemühte, wirkt plötzlich heillos aufgeladen mit Bedeutung. Was sich tunlichst von den gewöhnlichen Gegenständen der Welt distanzierte, wird plötzlich mit diesen verwechselt. (…) Feiersinger steigert das Merkmal minimalistischer Objekte, dass sie Fakt und Fetisch, leerer Index einer Struktur und schwere, aufgeladene Präsenz künstlerisch geleiteter Fabrikation zugleich sind, bis zum Punkt still schreienden Widerspruchs. Wie wir gesehen haben, flirten seine Skulpturen erstens ständig mit dem Status von Designobjekten oder Architekturmodellen, ohne aber je darin aufzugehen. Zweitens treten sie häufig als Zwillinge oder im „Duell“ zweier gleichartiger oder gleicher Objekte auf: Nicht einzeln und doch auch nicht serialisiert, markieren sie so genau den Umschlag von künstlerisch-handwerklicher zu industrieller Fertigung, von Weiheobjekt zu Ware. Drittens tasten sie jene Zwischenzonen von Abdruck, Schatten oder Haut ab, an denen positiver und negativer Raum, Figur und Grund des Skulpturalen, Produktion und Konsumption einander in der Wirklichkeit treffen. Viertens setzen sie sich auf ähnliche, übertragene Weise auch in die Zwischenzonen der historischen Strömungen in Kunst und Architektur. Zum Oxymoron geworden, scheinen die Skulpturen kurz vor dem Bersten zu stehen. Wie die intelligente Bombe in John Carpenters Sciencefiction-Film Dark Star (1973) sind sie hinsichtlich ihrer Funktion mit widersprüchlichen Daten gefüttert worden, schizophren gefangen in der Frage, ob sie in sich ruhen oder gleich explodieren sollen.
Heiser, Jörg: Neues aus der Schattenwelt; in: Christoph Keller (Hg.): Werner Feiersinger: Skulpturen. Revolver, Frankfurt a. M. 2004, S. 4–13, hier S. 11ff