curated by_Jacob Proctor: Mistaking the Moon for a Ball

15.09.–14.10.2017

Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2017
Foto: Markus Wörgötter

Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2017
Foto: Markus Wörgötter

Jakob Kolding
From the Earth to the Moon, 2017
Collage auf Papier
24 x 17 cm

Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2017
Foto: Markus Wörgötter

Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2017
Foto: Markus Wörgötter

Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2017
Foto: Markus Wörgötter

Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2017
Foto: Markus Wörgötter

Eröffnung: Donnerstag, 14. September 2017, 18 Uhr

Die Galerie Martin Janda zeigt im Rahmen von curated by_vienna 2017 die von Jacob Proctor kuratierte Ausstellung Mistaking the Moon for a Ball.

KünstlerInnen:
Matthew Brannon
Alejandro Cesarco
Jakob Kolding
Roman Ondak
Lisa Oppenheim
Kathrin Sonntag

„Genauso wie ein das Greifen erlernende Kind, das seine Hand nach dem Mond ausstreckt, wie wenn es nach einem Ball greifen würde, so visiert auch die Menschheit, in ihrem Streben nach Innervation, augenblicklich utopische Ziele genauso an wie solche, die sich in Reichweite befinden.“  – Walter Benjamin

Bei seiner Beschreibung des Bemühens der Menschheit, den Übergang von einem technologischen System zu einem anderen zu verhandeln, verwendete Walter Benjamin die Metapher vom Kind, das seine Hand dem Mond entgegenstreckt, wie wenn es nach einem Ball greifen würde. Mit diesem Bild als Ausgangspunkt setzt die Ausstellung den Fokus auf Kunstwerke, in denen das verzögerte Erkennen bzw. Verkennen oder die Interpretation bzw. Fehlinterpretation zwischen Sprache und Sehen neue kreative und transformative Energien entstehen lassen können.
 
Nicht alle Transformationen dieser Art sind so bedeutsam wie jene, die mit dem Beginn der Moderne assoziiert werden. Sogar so weltverändernde Entwicklungen wie die Verbreitung des Internets und neoliberale Wirtschaftsstrategien scheinen sich allmählich herangeschlichen zu haben und sich erst dann vollständig zu erkennen gegeben, als sie bereits allgegenwärtig waren. Während viele zeitgenössische Kunstschaffende sich dazu entschlossen haben, sich mit solchen Veränderungen direkt auseinanderzusetzen (und sich dagegen zu wehren), haben sich andere für indirektere Strategien entschieden, die sich auf Sprache, Literatur und deren Überschneidung mit der sichtbaren Welt berufen. Dabei spiegeln sie in gewisser Weise das in Benjamins Metapher zitierte, unschuldige Kind, während sie gleichzeitig Grundparameter des visuell-linguistischen Erfahrens poetisch nachimaginieren.
 
Matthew Brannon, der die Ausstellung eröffnet, zeigt eine stilisierte Version der Beschilderung, wie man sie in einem Second-Hand-Buchladen oder Antiquariat vermuten würde, wo typische Schlagwörter mit etwas eigentümlicheren Gruppierungen basierend auf ästhetischer oder intellektueller Zugehörigkeit nebeneinandergestellt sind. Ohne erkennbare Logik angeordnet, beschreitet Brannon letztlich keinen physischen, sondern einen mentalen Raum, ein Schema, worauf die Betrachter unausweichlich die Koordinaten ihrer eigenen literarischen und intellektuellen Bildung kartieren. Zwei Fotografien von Alejandro Cesarco fangen unterschiedliche Perspektiven desselben einführenden Wandtexts für eine (fiktive) Ruscha-Retrospektive ein, die hauptsächlich auf dem Gedanken von Banalität und Langeweile basiert. In Jakob Koldings Arbeit dient die Collage seit langer Zeit dazu, so unterschiedliche Dialekte wie Hip-Hop und Soziologie, Tanzmusik und Dada miteinander zu verweben. In den letzten Jahren hat sich der Künstler zunehmend der Literatur und dem Theater zugewandt. Obwohl diese Arbeiten oft keinen eigentlichen Text enthalten, sind die Probleme der Sprache so gegenwärtig wie eh und je. Lisa Oppenheims Zweikanalfilm Cathay (2010) entwirft ein komplexes visuell-textuelles Gespräch, das das produktive Potential in den Bedeutungswidersprüchen hervorhebt, die zwangsläufig aus jeder Übersetzungsaufgabe resultieren. Auf ähnliche Weise verleiht Kathrin Sonntag Versprechern einen bildlichen Ausdruck, worin absurde Umstellungen den Weg freimachen für ein neues Verständnis bekannter Sprichwörter. Schließlich fordert uns Roman Ondaks Interview (2005) auf, unzählige Situationen zu hinterfragen, in denen vorbereitete Dialoge jegliche Ähnlichkeit mit echter, persönlicher Kommunikation verdrängt haben.

Text: Jacob Proctor

Jacob Proctor ist Kurator am Neubauer Collegium for Culture and Society an der University of Chicago und lebt in New York.


Begleitprogramm: "fifteenminutes"

15-minütige Kurzvorträge in der Galerie Martin Janda

Sa, 16.09.2017, 14 Uhr: Sabine B. Vogel über Kathrin Sonntag
Mi, 27.09.2017, 18 Uhr: Matthias Michalka über Alejandro Cesarco
Do, 28.09.2017, 18 Uhr: Brigitte Huck über Roman Ondak
Mi, 11.10.2017, 18 Uhr: Marlies Wirth über Lisa Oppenheim
Fr, 13.10.2017, 18 Uhr: Andreas Reiter Raabe über Matthew Brannon
Sa, 14.10.2017, 14 Uhr: Thomas Trummer über Jakob Kolding

 

Eröffnung
Donnerstag, 14. September 2017, 18–21 Uhr in allen teilnehmenden Galerien

Ausstellungsdauer
15. September  –  14. Oktober 2017

curated by_vienna Night 
Freitag, 22. September, 18–21 Uhr
Anlässlich der Kunstmesse viennacontemporary sind alle an curated by_vienna teilnehmenden Galerien bis 21 Uhr geöffnet.

Führungen
Zwischen 16. September und 14. Oktober werden kostenlose Führungen durch die Galerien angeboten. Alle Termine finden Sie hier. Anmeldungen sind bis drei Tage vor dem Termin möglich.

Die Ausstellung findet im Rahmen von curated by_vienna: „image/reads/text. Sprache in der zeitgenössischen Kunst“ statt. 2017 sind 21 Wiener Galerien am Projekt beteiligt. In Zusammenarbeit mit internationalen Kuratorinnen und Kuratoren konzipieren sie Ausstellungen, die unterschiedliche Perspektiven auf das Thema eröffnen. curated by_vienna wird von der Wirtschaftsagentur Wien mit ihrem Kreativzentrum departure gefördert und organisiert, um die Bedeutung Wiens als Galerienstandort zu unterstreichen. 

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