Der „Geist“ ist die Memorie. Mangelos, Julije Knifer, Tomislav Gotovac, Dalibor Martinis, Mladen Stilinović, Vlado Martek, Sven Stilinović, Igor Grubić. Kuratiert von Branka Stipančić
09.03.–16.04.2016
Die Galerie Martin Janda zeigt von 9. März bis 16. April 2016 die von Branka Stipančić kuratierte Gruppenausstellung Der „Geist“ ist die Memorie mit Werken von Mangelos, Julije Knifer, Tomislav Gotovac, Dalibor Martinis, Mladen Stilinović, Vlado Martek, Sven Stilinović und Igor Grubić.
Die Ausstellung zeigt acht Künstler aus der Kunstszene Zagrebs, deren Arbeiten in engem Bezug mit den Ideen anderer Künstler, Schriftsteller, Philosophen, Psychoanalytiker, Physiker, Regisseure und Musiker stehen. Die Arbeiten erstrecken sich von den frühen 1960er Jahren bis in die Gegenwart. Während sie die Belesenheit und Vorstellungskraft der Künstler bekräftigen, fordern sie den Betrachter dazu auf, sich – genauso wie die Künstler – mit den Werken anderer Autoren vertraut zu machen, da deren Werke den Kontext für neue Lesearten der hier ausgestellten Arbeiten bereiten.
Manche der Künstler negieren den Gegenstand ihres Interesses oder verweisen ironisch darauf und treten in einen Disput mit ihren Quellen, welche in Mangelos Manifestos unterschiedlichen geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen entstammen. Als ichbewusster Skeptiker philosophischer Systeme und Kunsthinterfrager begibt sich Mangelos in einen offenen Dialog mit einer Reihe von Charakteren, indem er seine Gedanken auf knapp und präzise formulierte – von ihm als „Über-Wittgensteinsche“ bezeichnete – Thesen reduziert, die er auf Holzplatten, Globen und Künstlerbüchern niederschreibt. Der Künstler korrigiert Hegels Dialektik von Sein und Nichts auf einem silberfarbenen Globus, adaptiert Freuds Strukturmodell der Psyche und kommentiert Heisenbergs Energietheorie.
Das spielerische Element kehrt in den Arbeiten des Medienkünstlers Dalibor Martinis, häufig wieder. In einer John Cage gewidmeten Installation hängt ein mit einem schwarzen Stofftuch bedeckter Fernseher im eingeschalteten Zustand von der Decke „um wie ein Kanarienvogel zu singen“. Sven Stilinovićs Fotoarbeit Kosuth’s Teeth amüsiert sich über Joseph Kosuths tautologische Konzeptarbeiten, während sich Mladen Stilinović auf Schneidebretter geschriebene Ludwig Wittgenstein-Zitate in My Sweet Little Lamb für Sprachspiele und „politische Korrektheit“ aneignet.
Der Titel von Tomislav Gotovacs strukturalistischer Filmtrilogie Straight Line (Stevens-Duke), Blue Rider (Godard-Art), Circle (Jutkevič-Count) ist eine Hommage an Jazzmusiker und Regisseure zugleich. Das ästhetische und semantische Zusammenspiel gibt den Blick frei auf die Leseart des Künstlers von und Teilhabe an Geschichte.
Vlado Martek überführt eine Reihe poetischer Situationen in den visuellen Raum. In seiner „Aktionspoesie“ fordert der Künstler Menschen auf der Straße dazu auf, Werke von Majakowski, Rimbaud, Mallarmé u. a. vorzulesen. In einem Wald errichtet er für André Breton ein Schneemonument. Seine grafischen Arbeiten benutzen die Umrisse europäischer Staaten, um komplexe Narrative über die roten Balkanstaaten – den Schmelztiegel blutrünstiger Könige, komischer und romantischer Shakespear‘scher Helden – zu erschaffen. In seiner Arbeit Shakespeare Among Us ist der Balkan umgeben von Ländern, markiert mit Namen, die ihre zivilisatorische Entwicklung bezeichnen – Ästhetik, Psychoanalyse, Linguistik, Anthropologie, Philosophie und Ethik.
Die Künstler setzen auch den Körper in Bezug zu Text. Sven Stilinović stellt Fotos seines mit Münzen übersäten Gesichts und gefesselten Körpers als Verweis auf die libertären Traditionen des Anarchismus den Texten von Karl Marx gegenüber, während Mladen Stilinović in Conversation with Freud – The Artist As His Own Complex seine Interpretation des Ödipuskomplexes darlegt.
Es mag vielleicht schwer vorstellbar sein, die geometrisch abstrakten Werke von Julije Knifer in diesem Kontext anzutreffen. Eine seiner Arbeiten kann jedoch herausgegriffen werden, um in dieser wortreichen Ausstellung Platz zu finden: der überlang-gefaltete Mäander in der bibliophilen Ausgabe des Hölderlin-Gedichts „Der Rhein“.
Und schließlich führt Igor Grubić, ein Künstler der jüngeren Generation, in Red Escadrille – The Free Flight of Poetry die Geschichte zurück zu den Anfängen. Ausgehend von Vlado Marteks poetischer Agitationskunst der 1970er Jahre lässt Grubić Papierflugzeuge mit von Martek ausgewählten Gedichten vom höchsten Gebäude Zagrebs herunterfliegen.
Die Komplexität der Werke entspringt einem breiten Interessensspektrum dieser Künstler, ihren kritischen und analytischen Standpunkten, Zitaten, Anspielungen, Beschwörungen, ihrer Erinnerung. Die Arbeiten stellen eine dialogische Auseinandersetzung mit künstlerischem, kulturellem und soziopolitischem Erbe dar. Der Anspruch auf Intertextualität spiegelt sich auch im Titel der Ausstellung – Der „Geist“ ist die Memorie – wider, angeeignet vom Wort-Bild-Künstler und Theoretiker Mangelos.
Branka Stipančić
Kuratorin
Dimitrije Bašičević Mangelos, geboren 1921 in Šid (SRB), gestorben 1987 in Zagreb (HR)
Julije Knifer, geboren 1924 in Osijek (HR), gestorben 2004 in Paris (FR)
Tomislav Gotovac, geboren 1937 in Sombor (SRB), gestorben 2010 in Zagreb (HR)
Dalibor Martinis, geboren in 1947 in Zagreb (HR), lebt und arbeitet in Zagreb (HR)
Mladen Stilinović, geboren 1947 in Belgrad (SRB), lebt und arbeitet in Zagreb (HR)
Vlado Martek, geboren 1951 in Zagreb (HR), lebt und arbeitet in Zagreb (HR)
Sven Stilinović, geboren 1956 in Zagreb (HR), lebt und arbeitet in Zagreb (HR)
Igor Grubić, geboren 1969 in Zagreb (HR), lebt und arbeitet in Zagreb (HR)