Svenja Deininger: Today, One Month Ago

26.11.2020–20.02.2021

Svenja Deininger
Untitled, 2020

Svenja Deininger
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Svenja Deininger
Ohne Titel, 2020
Öl auf Leinen
270 x 180 cm

Svenja Deininger
Ohne Titel, 2020
Öl auf Leinen
50 x 45 cm

Svenja Deininger
Untitled, 2020
Öl auf Leinen
80 x 80 cm

Svenja Deininger
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Svenja Deininger
Untitled, 2020
Öl auf Leinwand
65 x 65 cm

Svenja Deininger
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Svenja Deininger
Untitled, 2020
Öl auf Leinen
300 x 125 cm

Svenja Deininger
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Svenja Deininger
Untitled, 2020
Öl auf Leinen
60 x 50 cm

Svenja Deininger
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Svenja Deininger
Untitled, 2019
Öl auf Leinen
80 x 80 cm

Svenja Deininger
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Svenja Deininger
Untitled, 2020
Öl auf Leinen
130 x 95 cm

Svenja Deininger
Ohne Titel, 2020
Öl auf Leinwand
40 x 30 cm

Svenja Deininger
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Svenja Deininger
Ausstellungsansicht, Galerie Martin Janda, 2020

Svenja Deininger Today, one month ago / spoken text Martin Herbert, 2020

Svenja Deininger
Today, one month ago / spoken text Martin Herbert, 2020

Svenja Deininger
Today, one month ago / spoken text Martin Herbert, 2020

Ausstellungsbeginn: Donnerstag, 26. November 2020, 15 Uhr
Dauer der Ausstellung: 26. November 2020 bis 20. Februar 2021

Die Galerie Martin Janda zeigt von 26. November 2020 bis 20. Februar 2021 die vierte Einzelausstellung von Svenja Deininger.

Welten jenseits des Rahmens: Über Svenja Deininger
 
Nur wenn man rein physisch denkt, hören Svenja Deiningers Gemälde an ihren Rändern auf. Jedes Bild wirkt in sich selbst geschlossen, das ja, und weist eine innere Kohärenz auf, die sich Ausdruck und experimentellem Strich zu verweigern scheint. Im Gesamteindruck suggeriert die Künstlerin, dass alle Kompositionselemente unwahrscheinlicherweise gleichzeitig auf die Leinwand kamen, als wären sie fein säuberlich vom Himmel gefallen. Wenn man sich indes durch eine Ausstellung Deiningers bewegt und diese sich in Echtzeit entfalten kann, so sieht man, dass ihre Gemälde in einen lebhaften Dialog mit dem Außen treten. Das Display ist so sehr eine von der Künstlerin bewusst orchestrierte Szenerie, dass sogar der Weg, den man als BetrachterIn zurücklegt, vorhergesehen wirkt. Deiningers Ausstellungen sind dynamische Systeme, deren Teile sich permanent gegenseitig modulieren und – im Sinn eines ernsten Spiels – neu schreiben und überschreiben.

Nehmen wir eines der größten Bilder in der neuen Ausstellung, eine bunte Anordnung rechtwinkelig und kurvig verzahnter Farbflächen in strahlend hellen Blau-, schweren Gelbtönen und blassen Tertiärfarben mit weinroten Zwickeln. Die Figur-Grund-Beziehung, wenn es denn eine gibt, ist schwer zu fassen, wird aber von einer großen Bogenform beherrscht, die wiederum unzählige kleinere Rechtecke, Halbkreise, halbe und inverse Bögen usw. enthält. Aufgrund ihrer Farbbeziehungen erscheinen diese Elemente in verschiedenen Tiefen, was es noch schwieriger macht, die Form als Ganzes aufzufassen. Für sich allein genommen ist das Gemälde ein wilder Augenritt, der sich weitgehend abstrakt anfühlt. Im Zusammenspiel mit anderen Bildern jedoch moduliert es deren Akzente und nimmt sie in sich auf. Eine kleinformatige, fast quadratische Malerei wagt sich näher ans Gegenständliche, wenngleich es dieselbe Bildsprache spricht wie sein großer Cousin. Hier deuten ein Paar Halbkreise in der oberen Bildhälfte, ein relativ mittiges, längliches Dreieck mit einem Halbkreis darunter – zusammen ein vielfarbiges Arrangement vor einem Hintergrund aus weiß-beigen Feldern – deutlich ein Gesicht an, allerdings in dunklerer Stimmungslage. Wenn Deiningers Ausstellungen, wie sie selbst einmal gesagt hat, gleichsam wie Sätze aufgebaut sind, sprich syntaktisch, dann könnte dieses Bild ein zentrales Hauptwort sein – oder auch ein Verb oder, ganz buchstäblich, ein Bestimmungswort. Nachdem man es gesehen hat, erscheint nämlich das große Gemälde von zuvor anders – als Entität mit der sanften Andeutung menschlicher Züge.

Die Bilder brechen und modifizieren sich gegenseitig immer weiter. Denn hat man einmal diese Art Pseudophysiognomie gesehen, erkennt man vielleicht auch in den Kurven und Vorsprüngen der anderen Gemälden Anklänge menschlicher Züge. Körperformen treten aus dem Hintergrund hervor, sogar bei den fast monochromen Bildern. Wie immer lohnt es sich, länger hinzuschauen. Die Subtilität von Deiningers Harmonien verschafft sich dann Geltung. Zudem wird man feststellen, dass jedes Bildelement eine eigene kleine Welt für sich ist. Jedes hat seine Textur, die von Flecken auf der Leinwandrückseite, die die gewebte Stoffstruktur abprägen, bis zu dick aufgetragenen und hernach abgeschliffenen Farbfeldern, die beinahe unmenschlich glatt wirken, reichen kann. Man bekommt den Eindruck, dass ein Ding, eine Realität, permanent auf eine andere prallt. Und all das trägt sich nicht nur auf ein paar Quadratzentimetern eines Gemäldes zu, sondern auch wenn man Deiningers Werk als Ganzes betrachtet.

Zum Beispiel: Ihre Kunst ist voll von Verweisen an die moderne Abstraktion und einzelne VorgängerInnen, denn das gehört zu ihrem Spiel, könnte aber den Prinzipien der Autonomie des Modernismus, in dem die Realwelt außen vor blieb und daher jedes Bild eine in sich geschlossene Insel war, nicht ferner stehen. Deiningers figurative Andeutungen lassen die Welt in die Bilder herein, und die Querverweise zwischen ihren Ausstellungen lassen ältere Bilder in neue eindringen. Die aktuelle Ausstellung basiert untypischerweise auf Primärfarben. Als wolle sich die Künstlerin selbst eine Aufgabe stellen, fragt sie, wie man deren Schrillheit in etwas Subtiles verwandeln kann. Rot, Gelb und Blau werden mit matten Zwischenfarben, bleichen Rosa- und wässrigen Pastelltönen konterkariert. Wo immer wir hinblicken, daneben findet sich das Gegenteil. An dem Punkt in der Ausstellung, an dem die Künstlerin das ungefähre Vokabular der Gemälde etabliert hat, hängt sie ein wesentlich größeres Bild mit Streifenaufbau, das einem Orakel gleich den Raum beherrscht.

Das Austarieren der unterschiedlichen Dimensionen ist allerdings grundlegend für die Wirkung der Bilder, da Deininger die Formatsprünge mit anderen Übereinstimmungen ausgleicht. Just wenn man sich an die Ästhetik farbiger Glasfenster gewöhnt hat, schwenkt sie auf eine mittelformatige Arie in Brauntönen um, die obendrein Körperdarstellungen nahekommt. Gerade wenn man sich an die Idee gewöhnt hat, dass auf Deiningers Bildern niemals ein Pinselstrich oder auch nur irgendeine malerische Spur erkennbar sein wird, erhascht man am Rand einer Leinwand all die darunterliegenden Farbschichten, die über die Kante laufen und auf eine geheime Wahrheit verweisen: Das, was cool als eine mit auf die Leinwand durchgepausten Skizzen vorbereitete Komposition erscheinen mag, ist in Wirklichkeit das täuschend glatte Endergebnis einer fieberhaften Improvisation. In Wahrheit gab es keinen Plan. Das Bild entstand in einem Malverfahren, das so ergebnisoffen ist wie das eines Action Painters. Die Leinwand ist wie ein Schwan, der wild und vor den Blicken verborgen unter der Wasseroberfläche paddelt.

Push und Pull sind dynamisch, hören nie auf und sind dementsprechend großzügig zum Betrachter. Mehrere Rundgänge durch die Ausstellung funktionieren gleich wie mehrere Rundgänge durch ein Bild: Das, was man da glaubte, ist nicht da, und das, was man nicht da glaubte, ist da. Würden die Gemälde in einer anderen Abfolge hängen, ergäben sie eine ganz neue Ausstellung. (Wie im berühmten Schriftstellerwitz: Der Schriftsteller hat alle Worte, muss sie aber noch in die richtige Abfolge bringen.) Deiningers Werk beweist hier einmal mehr die Kontingenz von Bedeutung in der bildenden Kunst, doch das so zu sagen, steht seinem Geist entgegen. Dies zu sagen, würde nämlich das Werk vollenden, es kodifizieren, beenden. Hier jedoch erlebt man Kunst genau gegenteilig. Diese Gemälde, hat man den Eindruck, werden noch miteinander reden, wenn man die Ausstellung längst verlassen hat.

Martin Herbert

 

Svenja Deininger, 1974 in Wien (AT) geboren, lebt und arbeitet in Wien, Berlin und Mailand.


Ausstellungen u.a.
2020 Two Thoughts, Collezione Maramotti, Reggio Emilia (IT);
2019 Konkrete Gegenwart, Museum Haus Konstruktiv, Zürich (CH); There will never be a door. You are inside. Works from the Coleção Teixeira de Freitas, Fundación Banco Santander, Madrid (ES);
2017 Echo of a Mirror Fragment, Wiener Secession, Wien (AT); Second Chances First Impressions, Norton Museum, Palm Beach (US);
2015 Flirting with Strangers – Werke aus der Sammlung, Belvedere 21, Wien (AT);
2013 RESIDUE, WIELS, Centre d'art contemporain, Brüssel (BE);
2012 Kunsthalle Krems / Factory, Krems (AT); 5th Beijing International Art Biennial, Beijing (CN);
2010 Lebt und arbeitet in Wien III, Kunsthalle Wien, Wien (AT)